Im Austausch miteinander: Gemeinsam durch die schwere Zeit gehen
Eine Nierenkrebserkrankung bringt große Herausforderungen mit sich – körperlich, emotional und mental. Der Austausch zwischen Patient*innen und ihren Angehörigen kann helfen, Kraft zu tanken und sich gegenseitig zu unterstützen. Gleichzeitig ist der Umgang nach der Diagnose oft schwierig: Die Reaktion der Nierenkrebspatient*innen wirkt sich direkt auf ihre engsten Vertrauten aus. Freund*innen und Familienmitglieder fühlen sich dabei oft hilflos und überfordert, wenn sie von der Erkrankung eines geliebten Menschen erfahren. Um den Betroffenen auf beiden Seiten zu helfen, wurden in diesem Artikel wertvolle Tipps und Anregungen zusammengetragen, die eine gemeinsame Bewältigung dieser herausfordernden Zeit erleichtern können.
Als Nierenkrebspatient*in mit Familie und Freunden sprechen
Die Diagnose einer Nierenkrebserkrankung macht vielen Betroffenen Angst und sorgt für Überforderung: Im einen Moment versuchen Sie die Situation noch selbst zu begreifen und im anderen denken Sie schon an Ihre Familienangehörigen und Freund*innen, denen Sie die Diagnose an einem bestimmten Punkt ebenfalls mitteilen werden.
Das erste Gespräch mit Familienangehörigen und Freunden
Nehmen Sie sich für das erste Gespräch genügend Zeit. Es ist besser, dass Sie sich mental und emotional bereit fühlen, wenn Sie Ihre Familie bzw. Ihre Freund*innen über die Nierenkrebsdiagnose informieren. Suchen Sie hierzu einen sicheren Ort aus, an dem Sie sich wohl fühlen: Setzen Sie sich zum Beispiel daheim auf die Couch, spazieren Sie zusammen einen Ihnen gut vertrauten Weg oder setzen Sie sich in die Ecke Ihres Lieblingscafés. Manche schätzen für solche Gespräche öffentliche Umgebungen, für andere ist ein Ort sinnvoll, an dem sie nicht durch äußerliche Reize irritiert werden.
Beginnen Sie Ihr Gespräch eventuell mit einleitenden Worten wie „Ich muss dir etwas Wichtiges erzählen, dass dich vielleicht schockieren wird …” oder „Es fällt mir nicht leicht, dir das zu erzählen, aber …”. Bauen Sie das Gespräch langsam auf und geben Sie Ihrem Gegenüber Zeit, die Informationen zu verarbeiten. Stellen Sie sich auf Nachfragen ein und versuchen Sie diese offen und klar zu beantworten. Es kann gut sein, dass Sie sich vielleicht unbewusst eine bestimmte Reaktion Ihres Gegenübers erhoffen: Wenn Sie deswegen durch das Gespräch enttäuscht werden, ist es besser, dies direkt oder einige Tage nach dem Gespräch offen zu kommunizieren als die Verletzung zu verschweigen.
Wenn Ihnen die direkte Kommunikation schwerfällt, können Sie auch schriftliche oder auditive Wege nutzen: Schreiben Sie Ihren Angehörigen oder Freund*innen einen Brief, eine Textnachricht oder eine E-Mail. Wenn Sie soziale Nachrichtendienste nutzen, können Sie auch eine Sprachnachricht verschicken. Optional können Sie auch die betreffende Person anrufen oder um ein Telefonat bitten. Diese verschiedenen Wege ermöglichen Ihnen, Ihr Anliegen angemessen zu kommunzieren und dabei eine räumliche Distanz zu wahren – genau so, wie es für Sie am einfachsten ist.
Wenn Sie erwarten, dass Ihr Gegenüber sehr emotional reagieren wird, kann es entlastend sein, sich Unterstützung zu holen. Sie müssen diese Situation nicht allein bewältigen. Bitten Sie zum Beispiel Ihre*n behandelnde*n Ärzt*in, beim Gespräch mit der nahestehenden Person dabei zu sein – oder ziehen Sie eine*n Psychoonkolog*in hinzu, um gemeinsam über die nächsten Schritte zu sprechen. Falls Sie das Gespräch selbst führen möchten, kann es helfen, die wichtigsten Informationen in kurzen, klaren Sätzen zu vermitteln. Sprechen Sie in ruhigem Ton, lassen Sie bewusst Pausen und versuchen Sie nicht, die Situation zu beschönigen – auch wenn es gut gemeint ist, um Ihr Gegenüber zu beruhigen.
Wenn Sie die Diagnose erst vor Kurzem erhalten haben, können Gespräche mit Familie und Freund*innen starke Emotionen bei Ihnen hervorrufen. Gönnen Sie sich deshalb Pausen, wenn es Ihnen zu viel wird. Sprechen Sie in Ihrem eigenen Tempo und sagen Sie, falls Sie das Gespräch nicht fortsetzen können. Es ist völlig in Ordnung, den Raum kurz zu verlassen oder das Gespräch zu vertagen, um Abstand zu gewinnen und das Gehörte sowie Ihre Gefühle zu verarbeiten.
Besonders: Das erste Gespräch mit Kind(ern)
Mit Kindern über eine Krebserkrankung zu sprechen, kann schwierig sein, aber Ehrlichkeit und Einfühlungsvermögen sind entscheidend. Die folgenden Tipps können in der Vorbereitung dieses Gesprächs helfen.
- Altersgerechte Sprache verwenden: Erklären Sie die Krankheit so, dass sie dem Alter und Verständnis des Kindes entspricht. Verwenden Sie einfache Worte und vermeiden Sie Fachbegriffe.
- Offenheit und Ehrlichkeit: Teilen Sie die Informationen ehrlich, aber dosiert mit und passen Sie die Inhalte an die entsprechende emotionale Belastbarkeit Ihres Kindes an. Wichtig: Kinder merken es meist schnell, wenn man Ihnen etwas verschweigt. Überlegen Sie sich deshalb bereits im Vorhinein kreative, alltagsbezogene Wege, um Ihre Krankheit und deren Folgen einfach zu erklären.
- Gefühle zulassen: Geben Sie Ihrem Kind Raum, seine Gefühle zu äußern, egal ob Angst, Trauer oder Wut. Zeigen Sie Ihrem Kind, dass jede Emotion in Ordnung ist.
- Sicherheit vermitteln: Betonen Sie, dass Ihr Kind keine Schuld an der Krankheit trägt und dass Ihre Krankheit nicht ansteckend ist. Zeigen Sie Ihrem Kind, dass es geliebt und umsorgt ist. Versuchen Sie Ihren Alltag so normal wie möglich zu gestalten. Routinen können in Ihrer Familie für Sicherheit sorgen, was wiederum für Sie eine Stütze während der Behandlung sein kann.
- Fragen ermutigen: Lassen Sie zu, dass Ihr Kind jederzeit Fragen stellen kann, und beantworten Sie diese so gut wie möglich. Wenn Sie keine Antwort wissen, geben Sie dies ehrlich zu und sagen Sie, dass Sie es herausfinden werden.
- Unterstützung anbieten: Zeigen Sie Ihrem Kind, dass Ihre Familie in dieser schwierigen Zeit zusammenhält und es nicht allein ist. Ermutigen Sie Ihr Kind, mit einer Vertrauensperson oder einem*r Therapeut*in zu sprechen, wenn es das möchte. Es kann auch hilfreich sein, das Umfeld Ihres Kindes – wie Lehrer*innen, Freund*innen oder Trainer*innen im Sportverein – über Ihre Erkrankung zu informieren. Diese Personen können oft erkennen, wenn es Ihrem Kind nicht gut geht oder es sich anders verhält. Durch ein Gespräch im Vorfeld können diese Menschen besonders sensibel und besser vorbereitet auf Ihr Kind eingehen und ihm*ihr Unterstützung oder ein offenes Ohr anbieten.
- Professionelle Hilfe in Anspruch nehmen: Sie müssen das Gespräch mit Ihrem Kind nicht allein führen. Wenn Sie unsicher sind oder emotionale Unterstützung benötigen, können Sie sich an eine*n Psychoonkolog*in wenden. Diese Fachkräfte sind speziell dafür ausgebildet, in solchen Situationen zu begleiten – auch im gemeinsamen Gespräch mit Ihrem Kind.
- Hoffnung geben: Erklären Sie Ihrem Kind, wie Ihre Nierenkrebserkrankung behandelt wird und dass es auch in schweren Zeiten positive Momente gibt.
Als Familienangehörige*r oder Freund*in unterstützen
Die Nachricht, dass eine geliebte Person an Nierenkrebs erkrankt ist, kann Familienangehörige und Freunde ebenso tief schocken wie die Betroffenen selbst. Diese neue Realität mit all ihren offenen Fragen zu verarbeiten, kostet Zeit. Die folgenden vier Schritte sollen helfen, den Umgang miteinander in dieser Phase zu verbessern.
Schritt 1: Mitfühlen und -leiden
Nach einer Nierenkrebsdiagnose haben Betroffene oft mit einer großen Vielfalt an Emotionen zu kämpfen. Ratschläge zur Behandlung, Tatendrang, Zukunftsfragen oder gar Vorwürfe von Familienangehörigen oder Freund*innen können die Beziehung zueinander stark beschädigen. Wenn Ihr*e Angehörige*r oder Ihr*e Freund*in an Nierenkrebs erkrankt ist, sollten Sie zunächst Ihr Mitgefühl zeigen und aktiv zuhören. Stellen Sie Fragen, statt ungefragt Rat zu geben. Kommunizieren Sie Ihre Gefühle klar und seien Sie sich bewusst, dass Ihr Gegenüber ebenfalls sein Bestes versucht, um die neue Situation zu verarbeiten.
Schritt 2: Ehrlichkeit und Einfühlsamkeit
Haben Sie keine Scheu, Ihre Fragen ehrlich zu stellen, doch lassen Sie dabei nie die emotionale Belastbarkeit der Patient*in aus den Augen. Sprechen Sie klar, aber einfühlsam und hören Sie aktiv zu. Manchmal braucht es keine Lösungen, sondern einfach das Gefühl, verstanden zu werden. Geben Sie dem*der Patient*in Zeit und Raum, um die Diagnose selbst zu verarbeiten und signalisieren Sie ihm*ihr, dass Sie seinen*ihren Umgang mit der Erkrankung nicht verurteilen. Nehmen Sie sich Zeit füreinander und binden Sie, wenn möglich, den entfernteren Familien- bzw. Freundeskreis mit ein, um Entlastung zu schaffen.
Schritt 3: Die Autonomie des Gegenübers anerkennen
Wenn ein geliebter Mensch an Nierenkrebs erkrankt, entstehen oft intensive Gefühle wie Angst, Ohnmacht oder Hilflosigkeit. In dieser emotionalen Ausnahmesituation kann es passieren, dass Angehörige versuchen, Entscheidungen zu beeinflussen – etwa bei der Wahl einer Therapie. Doch so gut das auch gemeint ist: Es ist wichtig, die Autonomie der betroffenen Person zu achten.
Stellen Sie sich folgende Situation vor: Ihr*e Partner*in entscheidet sich – nach Rücksprache mit dem Behandlungsteam – gegen eine belastende Chemotherapie, um mehr Lebensqualität zu erhalten. Sie hingegen wünschen sich jede erdenkliche medizinische Maßnahme, um die Erkrankung zu bekämpfen. In solchen Momenten hilft es, innezuhalten: Was bewegt den anderen zu dieser Entscheidung? Wie würde ich mir Unterstützung wünschen, wenn ich in seiner oder ihrer Lage wäre?
Auch die eigenen Ängste spielen hier eine Rolle. Nicht selten projizieren Angehörige ihre Unsicherheiten auf den Erkrankten – etwa aus Sorge, zu früh loslassen zu müssen. Sich diesen Emotionen ehrlich zu stellen, kann helfen, verständnisvoller zu reagieren. Und wenn das schwerfällt, ist das völlig menschlich. Es gibt zahlreiche Möglichkeiten, sich professionelle Hilfe zu holen – zum Beispiel durch psychoonkologische Beratungsstellen oder Angehörigen-Gruppen. Adressen und Anlaufstellen in Ihrer Nähe finden Sie hier.
Schritt 4: Gemeinsam Lösungen suchen
Sprechen Sie gemeinsam über konkrete Herausforderungen im Alltag und überlegen Sie, wie Sie sie bewältigen können. Erarbeiten Sie zusammen Strategien, zum Beispiel zur Entlastung des Haushalts oder für Termine bei Ihren Ärzt*innen, um das Gefühl von Zusammenhalt zu stärken. Wenn Sie das Empfinden haben, übergangen zu werden bzw. Ihr Gegenüber dieses Empfinden äußert, versuchen Sie, dies verständnisvoll zu kommunizieren bzw. Verständnis zu haben. Versuchen Sie nicht, gegeneinander zu arbeiten, sondern sehen Sie sich als Einheit, die zusammen stärker ist als allein.

Hilfe für Familienangehörige und Freund*innen
Wenn Sie merken, dass Ihnen die Situation über den Kopf wächst, sollten Sie sich Hilfe suchen. Unter den verschiedenen Anlaufstellen finden Sie sowohl psychoonkologische als auch psychosoziale Angebote und Selbsthilfegruppen. Bei Einzelgesprächen oder gemeinsam als Familie bzw. Freundesgruppe können hier die verschiedenen Probleme angesprochen und Lösungen gefunden werden. Weitere Informationen zu potenziellen Anlaufstellen finden Sie hier:
Abschied und Trauer als Patient*in
Die Diagnose Nierenkrebs gehört für Patient*innen und ihre Angehörigen zu den schwersten Momenten im Leben. Diese Zeit ist geprägt von einer Mischung aus Hoffnung, Angst, tiefem Schmerz und oft auch Trauer. Da eine Nierenkrebserkrankung nicht für alle Patient*innen mit einer Heilung endet, wollen sich die Betroffenen und ihre Liebsten oft auf das schlimmste Szenario vorbereiten. Für Betroffene bedeutet dies oft, ihr Leben zu reflektieren, offene Wünsche zu betrachten und Frieden mit sich selbst und anderen zu schließen. Auch für Angehörige ist der Abschied oft sehr schmerzhaft: Der Verlust eines nahestehenden Menschen ist schwer zu verarbeiten, und das Gefühl der Hilflosigkeit angesichts der Krankheit verstärkt die Belastung.
Trauer ist ein individueller Prozess, der für jeden Menschen anders aussieht. Manche finden Trost im Austausch mit Freunden, der Familie oder Betroffenen, in Ritualen oder im Rückzug, während andere aktiv nach Wegen suchen, den Schmerz zu bewältigen. Es ist wichtig, sich selbst und anderen die Zeit zu geben, die es braucht, um mit dem Verlust umzugehen. Abschied und Trauer sind schmerzhaft, aber sie können auch eine Chance sein, sich gegenseitig Liebe und Wertschätzung zu zeigen, die oft unausgesprochen bleibt. In dieser schweren Zeit zählt vor allem eines: Füreinander da zu sein und den Moment so wertvoll wie möglich zu gestalten.
Als Nierenkrebspatient*in Abschied von der Familie nehmen
Die Familie auf das Schlimmste vorzubereiten, ist eine schwierige, aber wichtige Aufgabe. Sie können dadurch im Vorhinein aktiv helfen, die Ängste Ihrer Liebsten zu lindern und einen Übergang zu erleichtern.
- Offene und ehrliche Gespräche: Reden Sie frühzeitig mit Ihrer Familie über die Möglichkeit Ihres Todes, auch wenn es schwerfällt. Ehrlichkeit kann Raum für Verständnis und Akzeptanz schaffen.
- Emotionen zulassen: Ihre Familienangehörigen mögen vielleicht sehr unterschiedlich auf diese Nachricht reagieren. Geben Sie sich selbst und ihnen die Erlaubnis, Gefühle wie Angst, Trauer oder Wut zu zeigen. Diese Emotionen sind Teil des Verarbeitungsprozesses.
- Praktische Angelegenheiten klären: Erledigen Sie wichtige organisatorische Angelegenheiten, wie das Verfassen eines Testaments oder einer Patient*innenerklärung. Legen Sie auch Ihre Wünsche für eine Beerdigung fest und benennen Sie eine Person für medizinische oder rechtliche Entscheidungen.
- Abschiedsbriefe oder -videos: Schreiben Sie Briefe oder nehmen Sie Videos für Ihre Familie auf, um ihnen Liebe, Erinnerungen oder Ratschläge zu hinterlassen. Das kann für sie eine große emotionale Stütze sein. Teilen Sie darin Ihre Wünsche für das Leben Ihrer Familienangehörigen mit.
- Erinnerungen schaffen: Nutzen Sie die verbliebene Zeit, um besondere Momente mit Ihren Liebsten zu erleben. Gemeinsame Erinnerungen können Trost spenden.
- Unterstützung suchen: Sprechen Sie mit einem*einer Seelsorger*in, Therapeut*in, Psychoonkolog*in oder Hospizmitarbeiter*in, der*die Ihnen und Ihrer Familie hilft, die Situation gemeinsam zu bewältigen. Auch Psychoonkolog*innen sind speziell dafür ausgebildet, Sie und Ihre Familie in dieser Zeit emotional zu unterstützen – auf Wunsch auch in gemeinsamen Gesprächen mit Ihren Angehörigen.
- Gemeinsam Abschied nehmen: Nutzen Sie die Gelegenheit, sich bewusst zu verabschieden, Ihre Liebe auszudrücken und Unausgesprochenes zu klären.
- Den Fokus auf das Jetzt legen: Konzentrieren Sie sich darauf, die verbleibende Zeit sinnvoll zu nutzen und im Moment zu leben.